Sebastian Prantl

Choreograf/Tänzer, künstlerischer Leiter des TAW und ICLA

Sebastian Prantl ist Sohn des Künstlerpaares Karl Prantl, Bildhauer, und Uta Peyrer, Malerin. Nach Abschluss der Rudolf Steiner Schule in Wien und New York, wohin er mit seiner Familie 1977 gezogen war, absolvierte er von 1978 bis 1984 die Ausbildung in Tanz, Schauspiel und Gesang und durchlief das vielschichtige Spektrum des amerikanischen Tanzes der frühen 1980er Jahre in New York.

Er begann seine Ausbildung am Dance Theatre of Harlem (Arthur Mitchell), in Harlem übte er begeistert als einziger „weißer Außenseiter“ in der Klasse Jazz, Afro, Ballett und Gesang. Es folgte die Martha Graham School, wo ihm (durch Armgard von Bardeleben) die Ehre zu Teil wurde, als persönlicher Trainee Martha Grahams im Rahmen einer Special Season der Marta Graham Dance Company an der MET (u.a. mit Rudolf Nurejew und Liza Minelli) sämtlichen Proben und Presseterminen beizuwohnen. Es folgte die Aufnahme an die Juilliard School of the Performing Arts (Stipendien), wo er bedeutende Pioniere des klassischen und modernen Tanzes, wie Martha Hill, Hanja Holm, Lucas Hoving, Doris Rudko, Ruby Shang, Anna Sokolow, Genia Melikowa, Hector Zaraspe, Alfredo Corvino u.a. als prägende LehrmeisterInnen hatte. Dies besiegelte eine exzellente Ausbildung zum zeitgenössischen Tänzer.

Aus Neugierde an einem theoretisch-progressiveren, zeitgenössischen Tanz- und Choreographiebegriff, entschied er nach zwei Jahren Juilliard sein Studium am Nikolais/Louis Dance Theatre Lab (Alwin Nikolais, Murray Louis, Claudia Gittelman), der Erick Hawkins School of Dance und am HB Studio (Herbert Berghof, Uta Hagen) fortzusetzen. Gleichzeitig nahm er mehr und mehr Anteil an Manhattans Downtown Szene der Post-Moderne, die ihn durch „Happenings“, interdisziplinäre Workshops und „free lance projects“ faszinierte. In weiterer Folge prägten ihn Kontakte zu KünstlerInnen wie Simone Forti, Elaine Summers, Trisha Brown, die ersten Contact Improvisation Jams (Steve Paxton/Randy Warshaw, Bill T. Jones) und die noch junge Butoh Bewegung, die durch Min Tanaka und Eiko & Koma in New York Einzug hielt.

Er vertiefte sein theoretisches Studium im Rahmen des renommierten Whitney Independent Study Program (Stipendium) unter Ron Clarke und Yvonne Rainer. Hier fand er einen lebendigen Diskurs zu relevanten choreographischen, philosophischen Fragestellungen durch interdisziplinäre Herangehensweisen von Semiotik, Post-Strukturalismus, Filmtheorie und Psychologie in Theorie und Praxis. Im Downtown Loft des Whitney Program nahmen die ersten Tanz/Performance-Kollaborationen mit anderen jungen KünstlerInnen Gestalt an.

Die erste Audition für das Tanztheater Wuppertal von Pina Bausch in Amerika, wo er sich bis in die Endrunde durchsetzte, brachte die Wende und die geographische Rückorientierung nach Europa. Er pendelte von 1984-86 zwischen New York und Wien und realisierte gemeinsam mit der kanadischen Filmemacherin Kristin Lovejoy (Whitney Program) und der Schauspielerin Deborah Carmichael multimediale Tanzperformances („Pierre Riviere“, „Niemandsland“ im MAK, Wien). Mit seiner ersten Tanzgruppe „Motion Pictures“ fand er im damals gerade entstehenden Wiener Werkstätten- und Kulturhaus (WUK) Quartier, dessen Theater/Tanzbereich er maßgeblich aufbaut. Es folgten Schritt für Schritt die frühen Ensemblestücke („Earthrise“, „Gaia“, „Mouvement“ und „Fasce“ (Friedrich Cerha/Klangforum Wien) und Gastspiele in Europa.

Als erstes Jurymitglied für Tanz im Theaterkuratorium des Kulturamts der Stadt Wien (berufen durch Ursula Pasterk) konnte er dem noch sehr jungen freien, österreichischen Tanz- und  Performancegeschehen zu eigenständigem Status und entsprechender Förderstruktur verhelfen. Auch begannen konkrete Maßnahmen für Ausbildungs- und Vernetzungsorganisationen innerhalb der freien österreichischen Tanz/Theater und Performance Szene (IG, Remise, T-junction…) zu greifen.

1988 gründete Sebastian Prantl gemeinsam mit seiner Frau, der Pianistin Cecilia Li das Tanz Atelier Wien. Choreografische Recherche hinsichtlich Musik mit erweitertem Raumbegriff ist Schwerpunkt – themenbezogene Projekte, Bühnen/Raumproduktionen, Symposien, Labs und Konzerte sind Programm. Längerfristige Arbeitsthemen werden innerhalb der international ausgerichteten Ensemblearbeit aufgeschlüsselt und generieren jeweils neue Formate. Aufführungen werden inter-/national gezeigt: Secession, Odeon, MAK, Semper Depot, Hofburg und WUK sind die Spielorte in Wien; Krakauer-, Kalkutta-, Brasilia Oper, Mingzugong Theatre Beijing, im Ausland; Festivals wie Impulstanz, styriarte, Wien Modern, New Music Festival Winnipeg… folgen.

Seit 1988 wurden so über fünfzig Projekte realisiert, die zeitgenössischen Tanz/Choreographie zu spezifischen Themen erforscht haben z.B. Friedrich Kieslers „Raumbühne“; William Shakespeares „Hamlet“; Piet Mondrians letztes Bild: „Boogie Woogie“; Sigmund Freuds „Traumdeutung“; zu Begriffen wie Eikon, Karthasis, Ikonostasis, Memento, Kairos… Die Musikkonzepte umfassen dabei klassische, moderne sowie zeitgenössische Kompositionen von Domenico Scarlatti über Wolfgang Amadeus Mozart zu John Cage, von Johann Sebastian Bach über Friedrich Cerha zu David Lang.

Als Schlüsselfigur des zeitgenössischen österreichischen Tanzes ist Sebastian Prantl kulturpolitisch stets wach, kritisch und engagiert und trägt maßgeblich zur Entwicklung und Positionierung des lang angestrebten Tanzquartier Wien (2001) bei. Neben Theaterjurypreisen des Bundes und des Burgenlandes erhielt er 1996 einen europäischen Kulturförderpreis und 1997 den ersten österreichischen Tanzproduktionspreis im Festspielhaus St. Pölten.

Die seit 20 Jahren bestehende Symbiose mit der Pianistin Cecilia Li erforscht stets neue Herangehensweisen an Musikmaterial. Auch sind seine Soloarbeiten immer wieder Teil eines orchestralen Rahmens: z.B. Estnisches Kammerorchester, Musiktage Lockenhaus/Gidon Kremer, Colourscape/Lawrence Casserley, Winnipeg Symphony Orchestra/Pat Carrabre, Hamburger Symphoniker/Andrey Boreyko, Lutoslawski Philharmonic/Ernst Kovacic. Sebastian Prantls solistisches Profil ist kommunikativ, philosophisch und humorvoll.

Lehrtätigkeiten

Theaterschool Amsterdam, Danshögskolan Stockholm, Bratislava Conservatory, Taipei National University, Tainan National University, Winnipeg University, Staatsopernballettschule Wien, in Gymnasien und Weiterbildungsinstitutionen wie St. Virgil/Salzburg, Kardinal König Haus/Wien u.a. Auch ist spezielle Lehr- und Community-Arbeit Teil seiner praxisbezogenen Vermittlung, lebendige Bewegungssprachen im interkulturellen Dialog neu zu bewerten: So existierte z.B. eine dreijährige Kooperation mit dem Bundesinstitut für Gehörlosenbildung, das Generation Dance Lab und das Choreo Audio Lab innerhalb der TAW Struktur.

Seit 2009 ist Sebastian Prantl Künstlerischer Leiter des International ChoreoLab Austria (ICLA). Von 2009 bis 2011 fand das ICLA als Kooperation mit der Donau-Universität Krems statt, ab 2012 als Kooperation mit dem Symposion Europäischer Bildhauer (SEB) in St. Margarethen/Burgenland.