MOTION PHONOTOP – ich sitze nur GRAUSAM da
Ausgehend von Textpartituren aus dem neuen Prosaband der großen österreichischen Dichterin Friederike Mayröcker zeigte das Tanz Atelier Wien eine performative Begegnung von Sprache, Klang, Licht und Bewegung, mit der es sein neues Sublogo Trans Art Works (TAW) in Sachen interdisziplinäre Studioformate vorstellte. Dabei wurde der Raum phonetisch verwandelt, musikalisch beschallt, tänzerisch gestimmt und (e)motional beleuchtet. Vier KünstlerInnen verwoben Stimme, Musik, Videokunst und Tanz zu einem vielschichtigen Gesamtkunstwerk, in dem unterschiedliche Kunstrichtungen gleichwertig aufeinandertrafen und miteinander interagierten.
Die große Literatin der deutschen Gegenwartsliteratur lässt sich im Alter von 88 Jahren erneut auf die Begegnung mit Tanz und Musik ein. (…) Freilich, mit Cecilia Li am Klavier, dem Tänzer Sebastian Prantl, Victoria Coeln am Mischpult hat sie drei Verbündete, die auf ihr Werk mit großer Empathie reagieren. Wie ein Echo erklingt die Musik, als nähmen die Klangkompositionen von David Lang, Alexander Scriabin, Philip Glass, John Cage und Claude Debussy nun Mayröckers Sprache in sich auf. In den Tanzbewegungen hallt der Text wider, in ihnen erkennt man den einen oder anderen Moment, der von der Autorin zuvor beschrieben wurde. In den Licht-Videospielen wird das Bild der Literatin nochmals eingefangen, für den Tänzer werden sie zur Projektionsfläche und Schattenkulisse.”
(Edith Wolf Perez, www.tanz.at, März 2012)
Als Inspirationsmaterial diente die charismatische Stimme und Klangsprache Friederike Mayröckers, die persönlich aus ihrem heuer erschienenen Prosatext „ich sitze nur GRAUSAM da“ las. Dieses entgegen seinem Titel mit kraftvoll optimistischen Tag- und Nachtträumen gefüllte Buch bildete in Verbindung mit dem virtuosen Klangambiente der Konzertpianistin Cecilia Li den akustischen Ausgangspunkt für weiteres künstlerisches Schaffen.
Mit Werken von Debussy, Cage, Scriabin, David Lang und Philip Glass spielte die feinfühlige Pianistin, die die wesentliche Bedeutung ihrer künstlerischen Arbeit in der Symbiose von visueller und akustischer Kunst sieht, nicht nur eine Hommage an großartige Komponisten, sondern setzte auch Impulse für die Visualistin Victoria Coeln.
Indem sie in den von ihr entwickelten “Chromotopen” (Lichträumen) Licht verdichtete, konfrontierte Victoria Coeln die Literatur und Musik mit einer eigenen starken Bildsprache. In ihre reaktiv auf den Klang bezogenen Visualisierungen, welche wissenschaftliche Erkenntnisse ebenso einbeziehen wie emotionale Grundzustände und zwischenmenschliche Begegnungen, integrierte sie eine Video-Montage, in welcher Mayröcker 2010 beim Lesen ihrer Texte gefilmt wurde. Ohne vorgefertigte Partituren zu verwenden, ließ sich Tänzer und Choreograph Sebastian Prantl in einer Real Time Composition von den Medien Licht, Musik und Text stimulieren und reagierte simultan auf die Arbeitsprozesse der mitwirkenden Künstlerinnen. Als Fluidum vernetzte das Medium Tanz die verschiedenen Teile der Performance und stellte die Verbindung zum umgebenden Raum her.
Choreographie/Tanz: Sebastian Prantl
Musikalisches Konzept: Cecilia Li
Lesung: Friederike Mayröcker
Lichtkunst/Visuals: Victoria Coeln
Tontechnik: Michael Renner
Koordination/PR: Susanne Senekowitsch
Fotos: Lukas Dostal
[Tanz Atelier Wien, März 2012]